Blog: Wie gehe ich mit Wut um?

von Christine Warcup (Kommentare: 0)


In meiner Familie war Wut nicht erlaubt. Es gab ein unausgesprochenes Verbot für Wut, das allerdings sehr wirksam war.
Hass war noch unvorstellbarer, denn das hatte noch mehr die Assoziation von „böse“ sein, „schlecht“ sein.
Aber genauso wenig waren alle anderen „negativen“ Gefühle – oder besser Emotionen – erlaubt:
Verzweiflung, Not, Traurigkeit usw. Sie alle durften nicht wirklich zum Ausdruck gebracht werden.

Überforderung

Heute ist mir bewusst, dass diese Gefühle nicht erlaubt waren, weil die Eltern – und alle anderen Erwachsenen in meiner Umgebung - damit überfordert gewesen wären, denn sie hatten ja auch keine Möglichkeit gehabt, ihre „negativen“ Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

Das heißt, dass auch wir überfordert sind, wenn wir diesen Gefühlen im Außen begegnen, z.B. bei unseren Kindern. Denn dann kommen all die Gefühle hoch, die noch nie entlastet werden konnten. Ich sage „entlastet“, weil in diesen unterdrückten Gefühlen z.T. eine ungeheure Energie gebunden ist, die feststeckt. Die Unterdrückung dieser Energie kostet uns sehr viel Kraft, die uns für andere Dinge nicht zur Verfügung steht.

Wie gehe ich mit der eingesperrten Energie um?

Da hilft mir zunächst der Satz:
„Du bist kein böses Kind, wenn du Wut verspürst,
du bist ein verletztes Kind, wenn du Wut verspürst.“

Denn dadurch hört die Wertung in Bezug auf Wut, Hass, Verzweiflung auf. Und damit kann ich mich diesen verletzten Anteilen in mir viel eher zuwenden.

Hinter meiner Wut sitzt der Schmerz

(Häufig sitzt vor der Wut auch noch die Trauer, je nachdem, was in den Familien erlaubt war oder nicht. )

Wenn mir bewusst ist, dass meine Wut ein Signal dafür ist, dass in mir noch ein unerlöster Schmerz ist, kann ich mir meine Wut eher erlauben, ja erlauben. Denn zunächst wollen doch alle Gefühle in mir gefühlt werden, sie wollen nicht wieder und wieder verbannt werden, sondern endlich als geheilter Teil meiner Gesamtpersönlichkeit in mir sein dürfen.

Wut ist Lebenskraft, die mich Neues wagen lässt

Wenn ich mir meine Wut erlauben kann, zumindest Schritt für Schritt, dann heißt das natürlich nicht, dass ich sie einfach an anderen auslasse, sondern dass ich mir erlaube, diese Wut in mir zu FÜHLEN. Denn Wut ist letztlich Lebenskraft in mir, die ich über Jahre mehr oder weniger eingesperrt habe. Diese Lebenskraft gibt mir die Kraft und den Mut, neue Schritte zu wagen, Neues in die Welt zu bringen, auf Neues zuzugehen.

Wut, die erlaubt ist, kann als Kraft fließen, um z.B. unsere Grenzen zu stärken, unseren energetischen Raum zu schützen, unsere Wünsche klar zu äußern usw.

Nur unterdrückte Wut ist gefährlich

Wut ist nur dann gefährlich, wenn sie unterdrückt wird, denn dann kann sie, wenn der darunterliegende Schmerz aktiviert wird, unkontrolliert ausbrechen; - ganz abgesehen davon, dass wir alle unsere unterdrückte, verbotene Wut (sprich den Schmerz) doch ausdrücken – zumindest subtil, in kleinen giftigen Bemerkungen, in Kälte, in Zurückweisung, in Unerreichbarkeit, in Verweigerung usw., denn die unterdrückte Kraft ist so groß, dass sie sich hin und wieder ein Ventil suchen muss.

Unsere verletzten Anteile brauchen liebevolle Zuwendung

Ich gehe heute davon aus, dass wir alle Hass in uns tragen, mörderische Wut, ja, dass wir alle ein Gollum* in uns tragen, das letztlich nur geliebt werden möchte, freigeliebt werden möchte von uns selbst.

Deshalb ist es so heilsam, wenn wir uns immer wieder liebevoll, mitfühlend und geduldig uns selbst zuwenden, um all diese Anteile in uns Schritt für Schritt anzunehmen mit der Botschaft:
Du darfst sein wie du bist. Du darfst sein, denn du bist Teil von mir, und nur mit dir kann ich heil und ganz sein.

* eine Kreatur in "Herr der Ringe"

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