Blog: DU bist schuld! – Doch wen meinst du wirklich?

von Christine Warcup (Kommentare: 0)


Wenn uns jemand auf die Füße tritt, sind wir leicht geneigt, den anderen für unseren Schmerz verantwortlich zu machen.

Nun, wenn jemand uns wirklich körperlich auf die Zehen tritt, hat er in dem Augenblick den Schmerz verursacht. Hat er es absichtlich getan, sind wir aufgefordert, für unsere Unversehrtheit einzustehen.

Ist es aus Versehen geschehen und der Zehentreter entschuldigt sich, sind wir geneigt, die Angelegenheit schnell zu vergessen.

Doch wie ist es, wenn jemand uns emotional verletzt? Wenn wir zurückgewiesen werden, beleidigt, getäuscht werden? Wenn jemand uns nicht mit Respekt und Achtung behandelt?

Dann sind wir auch aufgefordert, für unsere Unversehrtheit einzustehen. Doch wie tun wir das?

Wenn du mit dem Finger auf andere zeigst, zeigen drei Finger in deine Richtung

Als ich diesen Spruch das erste Mal gehört habe,  war ich nicht begeistert und fand ihn erst mal ziemlich blöd.

Wir sind jedoch selten begeistert, wenn wir auf unsere Eigenverantwortung hingewiesen werden. Es ist so viel schwerer, uns selbst und unsere Schwachstellen zu erkennen als die der anderen, da wir uns nicht selbst betrachten können. Wir können uns im Spiegel anschauen, aber das heißt noch lange nicht, dass wir uns im Spiegel erkennen können. Das können wir letztlich nur im Spiegel der anderen.

Und es ist leider so viel einfacher, die Schwachstellen anderer zu erkennen. Und dann wissen wir auch so oft, was andere besser machen könnten. Insbesondere Partner bräuchten doch nur ein paar offensichtliche Dinge zu verändern, und schon würde es uns besser gehen … wer kennt das nicht?

Wen meinst du wirklich?

Wenn du z.B. deinem Partner Vorwürfe machst, dass er dir wehtut, wenn er sich so oder so verhält, kann es sehr wohl sein, dass du eigentlich deine Eltern meinst, die dich in einer gestimmten Weise behandelt und damit vielleicht verletzt haben. Dein Partner oder deine Partnerin triggert oft nur den alten Schmerz, den du aus deiner Kindheit oder anderen Erfahrungen noch in dir trägst.

Damit gibt er dir die Möglichkeit, dich deinen verletzten Anteilen zuzuwenden, damit sie endlich das bekommen, was sie brauchen, um heilen zu können.

Daher ist es ratsam, immer wieder einmal zu schauen, wen du gerade vor dir hast und dich zu erinnern, dass es gerade nicht wirklich dein Vater oder deine Mutter ist, auf die du wütend bist.

Und vielleicht wäre es auch hilfreich, deinen Schmerz zu zeigen, statt wütend anzuklagen. Da wir in der Kindheit oft nicht in unserem Schmerz gesehen werden konnten, haben wir uns angewöhnt, den Schmerz zu verstecken. Und so haben unsere Partner oder auch Freunde kaum die Gelegenheit, zu sehen, dass sich alter Schmerz in uns zeigt, und vielleicht liebevoll und verständnisvoll darauf einzugehen.

Was bist du dir schuldig geblieben?

Und damit sind wir an einem weiteren Punkt. Das Konzept von Schuld und Vergebung ist letztlich ein menschliches Konzept.*
Doch wenn wir schon von einer „Schuld“ ausgehen (die es meines Erachtens nicht gibt, sondern Ursache und Wirkung), so wäre vielleicht diese Frage angemessen:
Was bin ich mir schuldig geblieben?

Zugegeben, das ist eine sehr unbequeme Frage. Denn sie beinhaltet weitere Fragen: Wo habe ich nicht für mich gesorgt? Wo habe ich meine Grenzen überschritten und überschreiten lassen? Was habe ich immer wieder mitgemacht, obwohl ich dabei immer gelitten habe? Was habe ich mir an Freude versagt, was an Anerkennung und Wertschätzung meiner selbst? Wo habe ich selbst meinen Wert mit Füßen getreten? …

Als ich diese Frage das erste Mal gehört habe, wurde mir noch einmal auf einer neuen Ebene bewusst, wie wenig bewusst und liebevoll ich viele Jahre meines Lebens mit mir selbst umgegangen bin.

Wie kannst du damit umgehen?

Nun, zunächst einmal geht es nur um die Erkenntnis: Ja, ich bin mir so einiges schuldig geblieben.

Falls du dann dazu neigen solltest, dich nun selbst zu beschuldigen, so kannst du gleich wieder damit aufhören. Ja, es kann bitter sein, dir bestimmter Dinge in deinem Leben bewusst zu werden.

Doch dann schau mit Mitgefühl auf dich. Wer hat dir vorgelebt, wie man selbstverständlich gut für sich sorgt, wie man seine Bedürfnisse ernstnimmt, wie man seine Grenzen respektiert?

Wenn du keine Vorbilder hattest, wie man liebevoll und mitfühlend mit sich selbst umgeht, so ist es nicht verwunderlich, wenn du das nicht lernen konntest.

Aber wenn du einmal die Bewusstheit darüber erlangt hast, dass du dir Dinge schuldig geblieben bist, so kannst du JETZT damit beginnen, zu schauen, wie du jetzt liebevoller mit dir umgehen kannst.

Und so kannst du erst einmal damit beginnen, dich für all das wertzuschätzen, was dir bereits gelingt, welches deine Stärken sind, usw., usw., um dir immer klarer darüber zu werden, dass du es wert bist, gut für dich zu sorgen. Denn mit einem wachsenden Selbstwertgefühl wird dir das immer leichter gelingen.

Viel Erfolg!

*In der Februar-Meditation ging es um das dazu passende Thema:
 „Das menschliche Konzept von Schuld und Vergebung als Folge des Sich-getrennt-fühlens in der Dualität“.
Du findest die Audio-Aufnahme der Meditation unter kostenlose Downloads auf meiner Website: http://christine-warcup.de/beispiel-meditationen.html

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